Celler Blickpunkt Ausgabe Oktober – November 2013 - page 4

Celler Blickpunkt 10–11/2013
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TITELGESCHICHTE
Rhythmisches, schweres Rattern, das
Rauschen der Ferne – Anwohnern von
Bahnhof und Gleisen sind die Geräusche
der vorbeifahrenden Güterzüge wohlver-
traut. Beim Warten auf dem Bahnsteig in
Celle kann man auf durchfahrenden Güter-
zügen Aufschriften lesen, die nach fernen
Welten und weiten Reisen klingen: Maersk,
Honan, UBC, Evergreen … Schwere Güter-
züge sind am Celler Bahnhof und auf den
Schienen im Landkreis ein vertrautes Bild.
Und wer hat sich nicht schon gefragt, wo
die großen Blechkisten wohl herkommen
und wo sie hinreisen, was sie enthalten?
Auch der modernen Containerfracht wohnt
noch ein Hauch von Abenteuer und Fern-
weh inne. Und in Niedersachsen mit seinen
Wasserwegen, Küsten und Häfen ist die Ver-
bindung Container – Fernweh besonders na-
he-liegend. Unzählige Tonnen Güter werden
täglich auf den Weltmeeren transportiert.
Allein in Bremerhaven werden wöchentlich
50 Containerschiffe am North Sea Terminal
(NTB) be- und entladen. ImHamburger Hafen
wurden im Jahr 2012 in Containern 8,9 Milli-
onen TEU umgeschlagen. Dazu kommt noch
nicht containerisiertes Stückgut.
TEU und Jeans
Größe und Volumen von Containern werden
seit den 1960er Jahren weltweit in TEU ge-
messen. TEU steht für „Twenty-Foot-Equiva-
lent-Unit“, 20 Fuß Vergleichseinheit. Der 20
Fuß-Container ist 20 Fuß (6 Meter) lang, acht
Fuß breit (2,438 m) und acht Fuß und acht
Zoll hoch (2,591m) und bildet die Richtgröße,
nach der auch der größere 40-Fuß-Container
mit zwölf Metern Länge gestaltet ist. In einen
solchen Standartcontainer passt fast alles.
Man bekommt bequem 960 Fernsehgeräte,
70.000 Bierflaschen, 100 Waschmaschinen
oder 10.000 Jeanshosen unter. An den Hä-
fen werden die Güter für den Binnenverkehr
auf Züge und LKW und zuweilen auf Binnen-
schiffe verladen. Ein400Meter langer Zug, der
aus 20 vierachsigen Flachwagen zu je 3 TEU
besteht, könnte maximal 60 TEU befördern.
Auf einem Güterzug hat also fast das Waren-
lager der Geschäfte einer Kleinstadt Platz.
In Deutschland werden noch
immer mehr Container über
lange Strecken auf der Straße
als auf Schienen befördert.
Hamburg, Bremerhaven,
JadeWeserPort
Der JadeWeserPort Wilhelmshaven ist der
jüngste Hafen Niedersachsens und der öst-
lichste Tiefwasserhafen der Nordrange. Er
bietet vier Liegeplätze für Großcontainer-
schiffe. Mit 18 Metern Tiefe ist er nach Sines
(Portugal, 28 Meter) und Rotterdam (26 und
24 Meter) zusammen mit dem dänischen
Aabenraa der dritttiefste Seehafen Europas.
Hier können große Schiffe auch voll beladen
anlegen, was in flacheren Häfen nicht mög-
lich ist. 16 der größten Containerbrücken
der Welt stehen im JadeWeserPort bereit um
Schiffe zu ent- oder beladen.
Doch derzeit haben sie wenig zu tun. Ham-
burg ist auf Platz 14 der größten Container-
häfen der Welt. Führend in Europa ist Rotter-
dam auf Platz neun. Die ersten Positionen
werden von Häfen im asiatischen Raum und
von Dubai eingenommen. Noch immer ist
die Containerschifffahrt Deutschlands in füh-
renden Positionen. Hapag-Lloyd in Hamburg
ist die viertgrößte Containerschiff-Reederei
der Welt. Platz eins hält die dänische Maersk,
die auch die weltweit allergrößten Contai-
nerschiffe führt: die Emma Maersk und ihre
Schwesterschiffe. Jedes von ihnen kann
14.500 TEU an Bord nehmen – das ist soviel,
wie 7.250 Sattelschlepper transportieren
können. Rechnet man 20 Meter pro 2 TEU auf
der Straße, so ergäbe das eine Länge von 145
Kilometern LKW an LKW.
„Nimmmich mit, Kapitän…
…auf die Reise!“ singt Freddy Quinn. Das
Fernweh ergreift einen leicht, wenn man
etwa den Hamburger oder Emdener Hafen
bestaunt oder in Cuxhaven an der „Alten
Liebe“ steht. An dem bekannten Anleger mit
Aussichtsplattform am Rande des Hafens
werden alle Schiffe über Lautsprecher kurz
vorgestellt, die von der Nordsee aus in die
Elbe fahren oder das Elbfahrwasser Richtung
See verlassen. Man erfährt die Flagge, Reede-
rei , den Heimat- und den Zielhafen und even-
tuell auch, was das Schiff geladen hat. Aber
die Zeiten, zu denen man einfach auf einem
Schiff anheuern konnte, sind längst vorbei.
Die hochtechnisierten Frachtschiffe kommen
mit wenig Personal aus, das aber gut qualifi-
ziert sein muss. Wer als Landratte echte See-
luft jenseits der Ferien-Kreuzfahrten erleben
will, kann auf Frachtschiffen Reisen buchen.
Etliche Reedereien bieten diese Möglichkeit
an. Der österreichische Autor Franz Hammer-
bacher ist auf Frachtschiffen in gut zweiein-
halb Monaten – in 80 Tagen – einmal rund
um die Welt gereist. In seinem wunderbaren
Buch „Passagen“ (KONNEX Edition Korres-
pondenzen) kann man seiner „Expedition in
die Welt des globalisierten Frachtverkehrs“
folgen. Und man sieht danach die durch Celle
ratternden Containerzüge oder die Schiffe in
den Nordseehäfen mit anderen Augen.
Andrea Hoffmann
Straße – Schiene –Weltmeere
Foto: Andrea Hoffmann
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